Zum ersten Mal seit 2009, dem Jahr der Finanzkrise, sind 2015 die Schweizer Uhrenexporte zurückgegangen. Aus China, dem Uhren-Absatz-Wunderland der letzten Jahre, vernimmt man, dass sich die euphorischen, zweistelligen Umsatz-Zuwachsraten verlangsamt haben. Eine Stagnation hat sich eingestellt. Doch ist dies denn wirklich so verwunderlich? Wachsen die Bäume denn wirklich auch bei den helvetischen Uhrenherstellern nicht in den Himmel? – Was bei nüchternem betrachten schon längst hätte klar sein sollen, hat nun auch die optimistischsten – um nicht das Wort grössenwahnsinnig zu verwenden – unter den Uhren-CEO’s zu einem gemässigteren Verhalten bewogen. So sagte Herr George Kern, seines Zeichens CEO von IWC: „Die Preise unserer Uhren sind in den letzten Jahren zu stark angestiegen“. Da hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn in den letzten Jahren, so schien es, konnte man sich fast alles erlauben. Wurden die Produkte in Europa nicht mehr goutiert, sei es preislich, oder weil man die Designs immer mehr dem asiatischen Geschmack an- passte, so wurden diese eben einfach nach China exportiert. Oder noch besser, die asiatischen Touristen kamen gleich selbst in Heerscharen in die Schweiz und kauften sich die Ticker mit dem Label «Swiss Made», als wären es Schoko-Riegel.

Aus unserer Betrachtung also, eine gar nicht so schlechte Entwicklung. Denn zum einen bewegt sich der leichte Rückgang auf überaus hohem Niveau (das Ergebnis der Schweizer Uhrenindustrie von 2015 ist immer noch das Zweitbeste in seiner Geschichte) und zum anderen verhilft es zu einer wohltuenden, neuen Vernunft. Ob es auch zu Dankbarkeit für das Erreichte führt? Für diese weltweit einzigartige Industrie, in einem, zumindest heute noch, sicheren Land? – Wir können es nur hoffen. Dementsprechend waren auch die diesjährigen Neuheiten. Nachdem in den letzten Jahren besonders die preislich oberen Enden der jeweiligen Marken verstärkt wurden, galt dieses Jahr das Hauptaugenmerk den Einstiegspreislagen. Dies unabhängig des jeweiligen Marktsegmentes. So hat Certina ihren Einstiegsbereich mit tollen neuen Chronographen, ausgestattet mit dem innovativen Precidrive-Uhrwerk, verstärkt. Aber auch Jaquet Droz, als kleine feine Marke an der Spitze der «Swatch Group Pyramide», hat so viele Neuheiten in Edelstahl-Gehäusen gezeigt wie noch nie. Gesamthaft lässt sich sagen, dass die Neuheiten allgemein nicht grossartig waren; dafür vernünftig. Und genau das, finden wir grossartig.

So geht Omega konsequent seinen Weg, der bis 2020 eine vollständige Ausstattung sämtlicher mechanischer Uhren mit den selbstgefertigten, 15‘000 Gauss antimagnetischen und mit co-axialer Hemmung ausgerüsteten Uhrwerken vorsieht. Dies ist eine beachtliche Leistung, die selbst bei der übergrossen Rolex, dem grössten Konkurrenten von Omega, zu Zähneknirschen führt. Sind die Preise bei Omega in den letzten Jahren zwar auch deutlich gestiegen, so tat dies die Qualität und die Leistung noch deutlicher. Man bekommt bei der renommierten Marke mit dem griechischen Buchstaben eine industriell gefertigte Uhr auf höchstem Qualitäts-Niveau zu einem angemessenen Preis. Und auch Breitling, welche sich seiner Verantwortung «Instruments for Professionals» zu bauen bewusst ist, ruht sich nicht auf den Lorbeeren seines eigenen Manufakturkalibers B01 aus. Daher wurde intern die Abteilung «Chronoworks» gegründet, die zur Aufgabe hat das bestehende Kaliber B01 noch besser zu machen. Dies geschieht hauptsächlich durch den Einsatz von neuen Materialien. So wurde beispielsweise die Platine als auch die Brücken komplett aus Keramik gefertigt. Räderwerk und Hemmungsteile bestehen bei diesem futuristischen Hochleistungsmotor aus Silizium. Dieses überarbeitete Chronografen-Kaliber bleibt im Moment zwar einer auf 100 Stück limitierten Sonderedition der «Superocean Héritage» vorbehalten, doch die Errungenschaften aus der Tuning-Schmiede «Chronoworks» sollen schon bald auch in der Serienproduktion Einzug halten. Als hätte Oris, der gruppenunabhängige Uhrenhersteller aus dem Baselbiet, diesen neuen Trend der Vernunft vorausgespürt, folgt sie bereits seit Jahren ihrem Slogan «real watches for real people». Diesen Weg verlässt sie auch beim Bau ihres eigenen Kalibers nicht. Und genau diese Haltung finden wir wirklich grossartig.

Text: Dominik Maegli