Zugegeben: Die Idee, aus speziellen Materialien Uhrwerksbestandteile zu machen, ist nicht absolut neu. Doch weil die Firma Armin Strom eine richtige Manufaktur ist, in der auch Späne fliegen, konnte sie mit sehr viel Konsequenz umgesetzt werden. Hintergrund ist ein Formel-1-Sponsoringengagement der aufstrebenden Bieler Firma.
„Wir hätten ja einfach ein Logo auf unsere Uhren machen können. Aber das war uns dann doch zu einfach“ schildert Claude Greisler, Produktentwickler und Konstrukteur bei Armin Strom den Grundgedanken zu einer besonderen Serie von Uhren. Ausgangspunkt war ein Sponsoringengagement von Armin Strom beim russisch-britischen Formel 1-Team Marussia Virgin Racing. „Ein Formel 1-Motor hält rund 40 Stunden, dann ist er hin. Ein Uhrwerk hält bei guter Pflege ewig. Diesen extremen Gegensatz wollten wir aufzeigen und umsetzen.“
Armin Racing One Week. Manufakturwerk ARM09 mit Brücken aus verarbeitetem Formel-1-Metall. Limitierte Serie von 40 Stück.
Die Formel 1 produziert also grosse Mengen an Hightechschrott aus besten Materialien. Die Idee war rasch geboren, doch die Umsetzung sollte sich als knifflig erweisen. So ging erst einmal die Recherchiererei los. „Kein Problem, klar können wir Aluminium oder auch andere Legierungen schmelzen“ war jeweils die Antwort bei den angefragten Betrieben. „Mindestmenge ist 250 kg“ war der Nachsatz. „Wir haben viereinhalb Kilo“ erwiderte Greisler, womit die Sache jeweils gegessen war.
Hightech-Schrott: Ausgemusterte Formel-1-Motorenteile vor ihrer Weiterverwendung.
Nach langem Suchen wurde man in St. Gallen bei einer Kunstgiesserei fündig, die erstens einen Prototypen eines Vakuum-Ofens hat und zweitens nicht die Hände verwirft, wenn man mit kleinen Mengen ankommt. Sie zeigte viel Freude an der Idee und ging mit entsprechendem Engagement zur Sache. Die korrekte Verarbeitung ist entscheidend. „Gerade weil wir die Teile nachher spanabhebend bearbeiten, war es enorm wichtig, dass sie keinerlei Lufteinflüsse aufweisen. Diese würden nachher auf den gefertigten Teilen hässlich aussehen und uns zudem bei der Produktion Probleme verursachen“ ergänzt der Produktionschef.
Schmelzmaschine: Im Vakuum-Ofen der St. Galler Kunstgiesserei werden die Teile flüssig gemacht.
Aluminium schmilzt bei der für Metalle verhältnismässig niederen Temperatur von rund 660º Celsius. Die flüssige Aluminium-Speziallegierung kommt aus dem Ofen und wird dann sorgfältig in Blöcke gegossen. Diese sind dann noch zu dick, um sie für die relativ dünnen Uhrenteile direkt verwenden zu können. Darum ist die nächste Etappe ein Walzwerk. Danach erfolgt die eigentliche Bearbeitung im Hause Armin Strom. Die äusseren Formen der Brückenteile für die Modelle One Week und Regulator aus der modernen „Armin“-Linie bleiben konstruktionsbedingt gleich. Ganz anders präsentiert sich hingegen die Oberfläche.
Teure Sauce: Die flüssige Aluminiumlegierung wird sorgfältig gegossen.
Gewichtsreduktion ist in der Formel 1 eines der obersten Gebote. Jedes Gramm kann sich zu einem Kilo summieren, und jedes Kilo zuviel kostet Millisekunden an Geschwindigkeit. Und nur um die geht es in der Königsklasse des Rennsports. Darum wird bei vielen Teilen alles weggefräst, was irgendwie verzichtbar ist. „Eigentlich sind wir hier gar nicht so weit von Armin Stroms Urkompetenz entfernt, dem Skelettieren. Obwohl es dort natürlich ästhetische Gründe sind, und nicht die Gewichtsreduktion zählt“, sagt CEO Serge Michel mit einem Augenzwinkern.
Umgewandelt: Diese Blöcke werden nun noch gewalzt, um dann zu Uhrenteilen verarbeitet zu werden.
Durch die Anwendung dieser Gestaltungselemente erhalten die gefertigten Spezialteile einen richtig technischen Look. Dieser wird noch vom Aussehen des Materials unterstützt. Die Bearbeitung der Teile war indessen eine grosse Herausforderung. Das Material wird in der Uhrenbranche eher selten verwendet. Es ist sehr heikel, es mit den gewohnten Werkzeugen zu fräsen. „Wir haben viel geübt“ sagt Greisler mit rollenden Augen. Doch Aufgeben ist nicht in der DNA dieses ausdauernden Schaffers, und so fand er letzlich einen Weg, das Material adäquat zu verarbeiten und sie dann auch perfekt in die von ihm gestalteten Werke zu integrieren.
Zurück zu 18`000 Umdrehungen: Mit der CNC-Maschine werden die Teile gefräst.
Das Resultat kann sich mehr als sehen lassen. Die Manufakturwerke bestechen bereits in der herkömmlichen Ausführung durch ihren eigenständigen, charaktervollen Auftritt. Das gekonnte Spiel mit den Materialien und der Einsatz der Marussia-Virgin-Teamfarben rot und schwarz geben den Uhren ein unverwechselbares Aussehen. Entsprechend vielversprechend sind die Eingänge an Bestellungen, und dies nicht nur aus dem Umfeld des Formel-1-Teams, sondern auch von Kunden, denen die Racing-Komponente der Uhren einfach sehr gut gefällt.
Die Formel-1-Brücke: Das fertige Teil hat einen sehr speziellen Finish und einen technischen Look.
Die Kollektion umfasst insgesamt vier verschiedene Modelle. Auf der „Pole Position“ steht unbestritten die Armin Racing One Week mit dem 2010 vorgestellten Handaufzugs-Manufakturwerk mit seinen sieben Tagen Gangreserve. Sie ist auf 40 Exemplare limitiert – dies vor allem wegen des sehr aufwendigen Herstellungsprozesses. Im selben, mit mattschwarzer PVD-Beschichtung behandelten Gehäuse gibt es das auf 100 Stück limitierte Modell Racing Regulator mit seiner typischen dezentrierten Anzeige und der markanten retrograden Datumsanzeige. Etwas herkömmlicher sind die beiden Racing Chronographen, die ganz in den Marussia-Virgin-Farben gehalten sind. Sie werden vom bewährten Valgranges-Automatikwerk angetrieben und insgesamt genau 500 mal hergestellt.
Was jetzt in der ganzen Angelegenheit noch fehlt, ist ein wenig mehr Erfolg und Rennglück des noch jungen Marussia-Virgin-Teams. Die beiden Piloten Timo Glock und Jerome D`Ambrosio fahren dem Feld zur Zeit noch hinterher. An den Uhren des Teams dürfte dies nicht liegen, sie sind absolut auf der Höhe der Zeit. Gemeinsam ist den Crews von Armin Strom und von Marussia-Virgin die Dynamik und der Wille, es nach vorne zu schaffen. Wir sind gespannt.