Bei uns ist sie weitgehend unbekannt. Doch die schweizerisch-deutsche Uhrenmarke Hanhart gehört zu den Firmen mit einer echten, langen Tradition und ist nach wie vor der wichtigste Hersteller von Stoppuhren. Die Firma galt als ein wenig verstaubt, aber jetzt will sie unter neuer Führung und frischem Kapital wieder ganz vorne mitmischen.
Am 1. Juli 1882 eröffnet der erst 26 Jahre alte Uhrmacher Johann Adolf Hanhart im Nordostschweizer Städtchen Diessenhofen ein Uhrengeschäft und legt damit den Grundstein für die traditionsreiche Uhrenmanufaktur Hanhart. 20 Jahre später verlegt er seinen Betrieb in die süddeutsche Uhrenhochburg Schwenningen, ennet der Grenze. Der Handwerks- und Detailhandelsbetrieb läuft überaus erfolgreich und ist bald der grösste seiner Art in der Region. In den 1920er Jahren steigt der jüngste Hanhart-Sohn Wilhelm Julius ins Unternehmen ein. Der sportbegeisterte junge Mann fand beim Besuch von Sportveranstaltungen heraus, dass es einen Markt für bezahlbare Stoppuhren gibt und lancierte darum 1924 das erste solche Modell, eine gemeinsam mit einem Uhrmacher entwickelte Handstoppuhr mit Stiftankerwerk. Aber auch Taschen- und Armbanduhren gehörten zur Produktpalette von Hanhart. Nach dem Tod seines Vaters konzentriert sich Willy Hanhart ab 1932 ganz auf die Herstellung eigener Rohwerke und gründet dann 1934 in Gütenbach eine zweite Manufaktur, in der noch heute die Hanhart-Stoppuhren-Kollektion sowie die Pioneer-Armbanduhren gefertigt werden.
Als die Damen noch Hüte trugen und man am Messestand noch rauchen durfte: Willy Hanhart präsentiert seine Produkte 1956 an der „Uhren- und Schmuckmesse“, wie die Baselworld damals noch ganz banal genannt wurde.
Laufend gehen neue Modelle in Produktion, so auch der Superschnellschwinger mit seiner Unruh-Frequenz von 360€˜000 A/h, mit dem erstmals Hundertstelsekunden gestoppt werden konnten (also Jahrzehnte bevor eine grosse Firma eine Armbanduhr mit diesem Feature vor kurzem mit viel Medien-Tamtam als bahnbrechende Entwicklung feierte).
1938 lanciert Hanhart den Eindrücker-Chronographen „Kaliber 40“ und ein Jahr später den ersten Flieger-Chronographen mit dem Kaliber 41.
Diese Uhren sollten für die Firma zum Hauptprodukt werden. Im Zweiten Weltkrieg trugen Piloten und Marineoffiziere Chronographen von Hanhart, die härteste Prüfungen bestehen. Wie die meisten anderen deutschen Uhrenfirmen führt auch Hanhart Rüstungsaufträge aus. Nach Kriegsende werden die beiden Betriebe in Schwenningen und Gütenbach, die beide in der französischen Besatzungszone liegen, geplündert und demontiert. Die meisten Maschinen sowie Konstruktionspläne werden nach Frankreich transportiert. Willy Hanhart wird für zehn Monate inhaftiert. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. Nach seiner Entlassung macht er sich sofort an den Wiederaufbau des Werkes in Gütenbach. 1947 flieht er kurz vor einer weiteren Festnahme in die Schweiz und kehrt erst 1949 nach Deutschland zurück. Während dieser zwei Jahre werden erste Maschinen im Tausch gegen Armbanduhren angeschafft, Mitarbeiter holen Uhrwerke, kleinere Maschinen und Werkzeuge aus sicheren Verstecken zurück, so dass 1948 die Produktion von Chronographen wieder aufgenommen werden kann.
Die deutsche Bundesmarine wird mit Präzisionszeitmessern beliefert. Bereits Anfang der 50er Jahre läuft die Produktion wieder auf Hochtouren. Die Uhrenmanufaktur konzentriert sich vermehrt auf die Herstellung mechanischer Stoppuhren und kann in der Sportzeitmessung bald eine dominierende Stellung einnehmen, bringt gleichzeitig aber auch mehrere innovative Fabrikate wie Zeitschaltuhren oder den Armbandwecker „Sans Souci“ auf den Markt.
Im Jahr 1952 wird in Schwenningen der Hauptsitz wieder aufgebaut. Nach der Ausstattung der 1955 gegründeten deutschen Bundeswehr mit Fliegerchronographen wird deren Herstellung 1962 eingestellt, dann nach und nach die gesamte Produktion von Armbanduhren. Es ist die Zeit der Stoppuhren. Das Unternehmen wird Marktführer und grösster Produzent Europas für mechanische Stoppuhren. In Deutschland werden praktisch in allen Schulen und Sportvereinen Hanhart-Stoppuhren für die Zeitmessung verwendet. Dann bricht 1972 das Zeitalter der Quarzuhren an. Hanhart entwickelt ein Quarzwerk, das millionenfach vertrieben wird. Zu den Kunden gehören Unternehmen, die damit eigene Wecker und Uhren ausstatten oder für welche Hanhart nach deren Design diese Produkte komplett fertigt. Als aus Fernost die ersten billigen Quarzwerke auf den Markt gelangen, verstärkt sich der Preisdruck, die Absatzmengen gehen zurück. Hanharts Reaktion ist die Entwicklung eines neuen preisgünstigen Werks, des Kaliber 3305. Davon werden rund 40 Millionen Stück verkauft. 1983 übernimmt Willy Hanharts Schwiegersohn Klaus Eble, der 1966 in das Unternehmen eingetreten war, die Geschäftsführung.
Die Werbung hiess damals Reklame, und man übertraf sich mit lustigen Reimen, wie in diesem Hanhart-Inserat aus dem Jahr 1967.
Mit der Wiederentdeckung des traditionellen mechanischen Uhrmacherhandwerks greift Hanhart in den 90er Jahren auf eine eigene erfolgreiche Pionierleistung zurück: 1997 wird der Hanhart-Fliegerchronograph von 1939 als detailgetreuer Nachbau vorgestellt. Die auf 2500 Stück limitierte Edition ist in kurzer Zeit ausverkauft. Beflügelt von diesem Erfolg legen die Gütenbacher mit der Fertigung des Fliegerchronographen „Tachy Tele“ gleich nach, im Jahr 2003 folgt mit der „Primus“ der Ein-Drücker-Chronograph aus dem Jahre 1938. Die Nachbauten dieser geschichtsträchtigen Chronographen verkaufen sich gut und bestärken die Marke darin, weitere alte Uhrenmodelle neu aufzulegen. Nach wie vor wird ein beachtlich breites Sortiment von Stoppuhren hergestellt. Auch andere Hersteller bedienen sich der Hanhart-Werke für Handstopper.
Früher wurde „Racing“ noch von richtigen Männern betrieben und nicht von brustrasierten Bubis mit Gelfrisuren. Der Mechaniker war auch der Zeitnehmer und holte sich unterm Auto schwarze Hände. Und man hatte für die Zeitmessung eine ganze Batterie von Hanhart-Handstoppern.
Diesem Geist ist auch die „Tachymaster“ verschrieben, die Hanhart 2008 auf den Markt bringt: Eine Uhr, die der Gemeinde der Oldtimer-Rallyefahrer ein neuartiges Werkzeug mit auf die Strecke gibt. Sie zeigt die zu fahrende Strecke an und lässt so Schnittprüfungen viel einfacher bewältigen.
Stilecht fürs Armaturenbrett des Oldtimers: Die Dashboard-Uhren von Hanhart, hier in der schwarzen Variante.
2008 wird in der Schweiz die Firma Hanhart AG gegründet, mit Sitz in Diessenhofen, nur wenige Schritte von jenem Haus entfernt, in dem Johann Adolf Hanhart 1882 sein Uhrengeschäft eröffnete. In enger Zusammenarbeit mit den hauseigenen Ateliers in Gütenbach und Zulieferern aus der Schweizer Uhrenbranche wird eine neue Kollektion mechanischer Chronographen unter dem Namen „Primus“ entwickelt und an der Baselworld 2009 erstmals präsentiert. Sie kombiniert traditionelle typische Hanhart-Elemente wie den unverwechselbaren roten Drücker, welcher die Hanhart-Uhren seit 1939 prägt, mit moderner Technik und progressivem Design.
Die Modelle Pilot, Racer und Diver bestechen durch eine eigenständige Gehäuseform, deren abgerundete Flanke sich gegen den Boden stark verjüngt, und durch ergonomisch angenehme bewegliche Bandanstösse. Die Kollektion bietet detailreich gestaltete Zifferblätter, die thematisch zu den Bereichen Aviatik, Automobil oder Taucherei passen, also für den Einsatz zu Luft, zu Land und zu Wasser geeignet sind. Vor allem sehen sie einfach cool aus. Und sind mit Preisen um die 5000 Franken für das Gebotene durchaus in einem anständigen Rahmen. Insbesondere die Verarbeitung macht einen sehr professionellen Eindruck, und die viel zitierte „Haptik“ stimmt.
Neu im Programm ist auch eine überarbeitete Chronographenserie namens „Pioneer“, die die alten Erfolgsdesigns aus der Blütezeit des Unternehmens neu interpretiert und umsetzt. Sie haben den traditionellen Hanhart-Look mit dem roten Drücker, der asymmetrischen Anordnung von Drückern und Krone sowie der kanellierten Drehlunette mit der roten Indexmarkierung. Sehr nahe am Original ist insbesondere das Eindrückermodell (siehe Bild auf der linken Seite). Das Highlight bildet der 45 mm grosse „TwinDicator“ (siehe Bild Seite 32) mit seinen weit an den Aussenrand gerückten Zählern für die Stoppminuten und -stunden sowie der beim Stundenzähler integrierten Anzeige für die laufende Sekunde.
Im Oktober 2010 übernahm der damalige langjährige CEO von Carl F. Bucherer, Thomas Morf, die Leitung von Hanhart. Sein Engagement ist nicht das eines reinen „Managers“, sondern er investierte auch einen beträchtlichen Teil seines angesparten Vermögens in die Firma. Der Uhrenbranchen-Haudegen Morf sagt über seinen „All-In“: „Mit der faszinierenden und nachvollziehbaren Markengeschichte, der hohen technischen Kompetenz sowie der konsequenten Ausrichtung auf Instrumentenuhren ist Hanhart ein Juwel unter den Uhrenherstellern und verfügt international über grosses Potenzial. Ich werde alles daran setzen, dass wir dieses voll nutzen. Wenn wir das schaffen, können wir hier eine richtig schöne Erfolgsgeschichte schreiben. Das wird aber viel, ja sehr viel Arbeit bedingen.“ Die Art, wie er das kommuniziert, lässt nur wenig Zweifel aufkommen. Der gross gewachsene Morf ist nicht der Leisetreter-Typ. Das merkt man, wenn man mit ihm diskutiert, aber auch wenn er in bester Steve McQueen-Manier in seinem alten, lauten Shelby-Mustang vorfährt. Sein Charisma ist beeindruckend, und er strahlt aus, dass er seinen Worten auch Taten folgen lassen wird.
Thomas Morf, CEO von Hanhart
Morf ist allerdings Minderheitsaktionär. Die Mehrheit hält die Gaydoul Group AG des im Luxusbereich als Investor immer öfter auftretenden Ex-Dennerbesitzers und Tausendsassas Philippe Gaydoul. Das Magazin „Bilanz“ titulierte ihn unlängst als „Der Firmenshopper“, denn er hat bereits im Textilbereich die Unternehmen Fogal, Navyboot und die Boutiquenkette Jet Set übernommen. Gaydouls beachtliches Vermögen (in der Bilanz-Rangliste der 300 reichsten Schweizer rangierte er immerhin unter den ersten 100) erlaubt es ihm, den Wiederaufbau und den Ausbau dieser Firmen mit einem längeren Zeithorizont anzugehen, als dies ein Hedge-Fund machen würde.
Primus Racer Black: Moderner Chronograph aus der neuen Kollektion von Hanhart.
Die Baustelle Hanhart scheint schon ganz gut auf Kurs. Die Kollektionen sind gut aufgestellt, das Vertriebsnetz wird laufend ausgebaut. Die Produktionskompetenz ist insbesondere im Betrieb in Gütenbach vorhanden, sie kann sicher gescheit verstärkt werden, wenn die notwendigen Mittel gesprochen werden. CEO Morf kann auf eine sichtlich motivierte Crew zählen und strotzt im persönlichen Gespräch nur so vor Energie. Man darf gespannt sein, ob es ihm gelingen wird, die Firma mit unbestritten grosser Tradition so zu plazieren, wie sich das der Hauptinvestor vorstellt: „Wir bauen die Uhrenmarke Hanhart zu einer international führenden technischen Uhrenmarke mit Schweizer Wurzeln aus“ formuliert die Gaydoul Group ihre Ziele. Der Anfang ist gemacht. Bis es soweit ist, dürfte es noch einige Jahre dauern. Und von Investorenseite wird noch viel (finanzielle) Geduld aufzubringen sein.
Hanhart Primus Diver