Jedes Pendel schlägt auch wieder mal in die andere Richtung: Nach Uhren gross wie Tellerminen, dick wie Double Whopper und futuristischer als das Batmobil besinnen sich nun gleich mehrere Hersteller ihrer Wurzeln und legen die klassische Dreizeigeruhr wieder neu auf. Einige Beispiele.
Die Entwicklung ist nicht erstaunlich und setzte bereits vor einigen Jahren ein. Natürlich haben grosse, auffällige Uhren ihren Reiz, aber letztlich geht nichts über die schlichten Klassiker. Besonders gut ist dies auch beim Vintage-Markt zu sehen: Gepflegte alte Omegas, Eterna-Matic oder Longines beispielsweise stehen bei Uhrsachen selten lange im Schaufenster. Sie haben Durchmesser von 33-35 mm und waren damit in den letzten Jahren am unteren Ende der Grössenskala.
Man kann sich natürlich auch fragen, ob denn den Herstellern nichts mehr neues einfällt. Aber muss es denn immer etwas neues sein? Der anhaltende Erfolg von Modellen aus der Max Bill-Serie von Junghans oder auch der Ole Mathiesen-Uhren spricht dafür, dass Klassik immer gefragt war und ist.
Die Ole Mathiesen-Uhren sind ein gutes Beispiel eines Dauerläufers, der nie aus der Mode kam. Die ersten Uhren entstanden bereits 1962, der Entwurf feiert als demnächst das Jubiläum des halben Jahrhunderts. Änderungen waren unwesentlich. Es wurden in erster Linie Varianten der Klassiker OM1 und OM2 auf den Markt gebracht, die Kollektion vor allem um andere Grössen ausgebaut.
Für diese Verhältnisse ist die neu erschienene OM „Royal“ schon fast revolutionär. Die Uhr mit 37 mm Durchmesser und einem etwas weniger dünnen Gehäuse gibt es in einer Version mit Quarzwerk oder als Automatic mit Datum. Die Zifferblätter sind silberfarbig mit den typischen feinen Ole Mathiesen-Linienindexen oder mit römischen Zahlen. Alternativ ist die Uhr mit schwarzem Blatt lieferbar, wiederum mit Linienindexen. Nach wie vor im Programm sind natürlich die noch feineren, dünneren Modelle in den Durchmessern 28, 33, 35 und 37 mm mit ihrer schmalen Lunette. Die Uhren der in Kopenhagen beheimateten Firma werden übrigens in Biel gefertigt, sind also Swiss Made, aber mit dänischem Design.
Ole Mathiesen Royal Automatic
Noch schlichter: Ole Mathiesen Royal, Quarz
Die Max Bill-Linie ist schon sehr lange auf dem Markt, fast gleich lang wie die Ole Mathiesen. Entstanden ist sie anfang der 60er Jahre als Auftragsarbeit, als Junghans den grossen Künstler Max Bill um Entwürfe für eine Armbanduhr anfragte. Dies nachdem er für sie bereits erfolgreich eine Serie mit Uhren für die Küche gezeichnet hatte. Der an Schlichtheit und Reduktion schwierig zu überbietende Entwurf von Max Bill bescherte der deutschen Firma Junghans einen grossen Erfolg, insbesondere in den letzten Jahren wurde die Serie zu einem unverzichtbaren Pfeiler im Sortiment, neben den bekannten Funkuhren. Anfänglich nur als Handaufzugsversion erhältlich wurde die Kollektion in den letzten Jahren um eine Automatikmodell und zuletzt um einen Chronographen erweitert. Diesen legt Junghans nun anlässlich des 150jährigen Firmenjubiläums in einer limitierten Serie von 150 Exemplaren in einem Gehäuse aus 18 Karat Rotgold auf. Ein echtes Sammlerstück, auf das der Run schon vor der Auslieferung eingesetzt hat. Kurz nach Bekanntgabe der Produktion dieser Uhr trafen bereits die ersten Reservationen ein.
Junghans Max Bill Chronoscope Jubiläumsuhr in 18 Karat Roségold
Mit dem Modell „Chronometer“ macht Junghans einen weiteren Blick zurück. „Meister“ heisst die Serie, mit der 1931 begonnen wurde. Mit den Jahren wurde sie etwas unübersichtlich. Jetzt setzen die Uhrenbauer aus dem Schwarzwald einen neuen Vertreter an die Spitze. Das Werk J820.1, das auf einem Soprod A10 basiert, verfügt über eine spezielle blaue Nivarox-Spirale vom Schramberger Hersteller Carl Haas. Die schlichte Dreizeigeruhr mit Datum ist chronometerzertifiziert und hat mit ihren 38,4 mm Durchmesser und 9 mm Höhe feine Dimensionen. Es lebe die neue alte Eleganz.
Junghans Meister Chronometer
Auch aus Japan dürfen wir eine überaus gelungene, höchst elegante Serie historischen Hintergrund vermelden. 1960 präsentierte Seiko die erste Grand Seiko. Dieses Label stand stets für das Beste aus Japan, für mit sehr viel Sorgfalt produzierte Uhren mit zurückhaltender Gestaltung. Zum 130. Geburtstag der Firma gibt es jetzt eine limitierte Auflage einer Jubiläumsuhr von 130 Stück in Rotgold, 130 in Platin und 1300 in Stahl. Sie alle verfügen über das neu entwickelte Handaufzugskaliber 9S64, das mit 3 Tagen Gangreserve glänzt.
Grand Seiko Handaufzugskaliber 9S64 mit 3 Tagen Gangreserve
Diese verdankt es einer speziellen Aufzugsfeder, die dünner und damit länger ist als herkömmliche Federn. Das Geheimnis ist die Legierung „SPRON510“, die Seiko selber entwickelt hat. Auch bei der Unruhespirale setzt man auf eine eigene Legierung, die besonders stossfest und antimagnetisch sei. Die Jubiläumsmodelle erreichen hervorragende Gangwerte, die mit -3 bis +5 Sekunden pro Tag selbst die offizielle Schweizer Chronometernorm übertreffen.
Grand Seiko Jubiläumsuhr 130th anniversary: Eine perfekte Handaufzugsuhr aus Japan, hier in der Platinversion.
Die Uhren sind an Schlichtheit kaum zu übertreffen, und die Fertigungsqualität bis ins letzte Detail ist legendär. Die Gehäuse werden mithilfe der speziellen japanischen Zaratsu-Technik handpoliert. Man muss sie in den Händen halten, um den aussergewöhnlichen Finish zu erfassen. Das gewölbte Saphirglas verstärkt die 60er-Jahre-Erscheinung noch, mit dem Unterschied, dass man damals noch keine Saphirgläser in dieser Form herstellen konnte. Die Durchmesser der Geburtstagsmodelle messen nur knapp 36 mm. Sie stehen damit in der typischen Tradition der bescheidenen Grössen bei den meisten Grand Seiko-Modellen. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Japaner haben (bis auf die bekannten Sumo-Ringer) in der Regel eher schmale Handgelenke.
Grand Seiko Jubiläumsuhr 130th anniversary in 18 Karat Roségold
Und bis vor kurzem waren die Grand Seiko-Uhren nur in Japan sowie bei ganz wenigen Händlern verfügbar, also Produkte für den Heimmarkt. Uhrsachen war – regelmässige Leser von Tick different erinnern sich – der erste unabhängige Händler in Europa, der diese aussergewöhnlichen Uhren offiziell führen durfte. Jetzt starten die Japaner ganz behutsam damit, die Uhren auch selektiv auf dem Weltmarkt anzubieten. Umgekehrt ist es übrigens auch so, dass mehrere Uhrenfirmen speziell für den asiatischen Markt eher kleinere Modelle in ihre Sortimente aufgenommen haben.
Ulysse Nardin hat mit der Classico ebenfalls eine elegante schlichte Uhr im Angebot. Früher deckte man dieses Segment mit der San Marco-Linie ab. Die Classico ist im Vergleich damit eher flacher und hat markantere Bandanstösse. Sie ist im Stahl-, Weiss- oder Rotgoldgehäuse erhältlich. Die Rotgoldversion hat ein bombiertes, silbernes Zifferblatt mit fein eingefasstem Datumsfenster, goldene Minuten- und Stundenzeiger sowie einen gebläuten, feinen Sekundenzeiger. Auch mit schwarzem Zifferblatt ist die Classico lieferbar.
Ulysse Nardin Classico in 18 Karat Roségold
Grand Seiko Handaufzugskaliber 9S64 mit 3 Tagen Gangreserve
Eine andere Tradition greifen die Modelle aus Stahl oder Weissgold auf: Sie verfügen über das berühmte guillochierte Zifferblatt, das mit einer durchscheinenden blauen Emailleschicht überzogen ist. Viele Jahre war die San Marco mit diesem Zifferblatt ein sicherer Wert in der Nardin-Kollektion, dies auch wegen des faszinierend kräftigen Blaus, das auch über die Jahre nichts von seiner Intensität verliert.
Die Classico ist ein wenig grösser als die San Marco, sie hat einen für heutige Verhältnisse immer noch bescheidenen Durchmesser von 40 mm und ist relativ flach. Im Innern arbeitet, sichtbar durch den Glasboden, ein ETA 2892-2, in der Ausführung als zertifizierter Chronometer. Und noch eine gute Nachricht: Sowohl die Varianten in Gold als auch die mit dem Emaillezifferblatt gibt es in einer 31mm-Ausführung – für die ganz schlanken Damenhandgelenke.
Totgesagte leben länger, heisst es. Auf die schlichte, elegante Dreizeigeruhr in den verschiedensten Variationen trifft das offensichtlich zu.