Der Australier Marc Newson gilt als einer der einflussreichsten und kreativsten Designer unserer Zeit. Es gibt kaum ein Objekt, dem sich der Tausendsassa nicht schon angenommen hätte – Flugzeuge, Fahrräder, Sessel, Innenarchitektur, Haushaltsobjekte. Unter der Marke Ikepod lancierte er um die Jahrtausendwende eine viel beachtete Uhrenkollektion. Jetzt bringt Ikepod eine umwerfende Neuinterpretation eines alten Themas: Das Stundenglas.

Ikepod Marc Newsons Hourglass in schwarz

Das Hourglass von Marc Newson, hier in der Ausführung mit den schwarzen Nanoballs

Seine Auszeichnungen kann er schon gar nicht mehr zählen, und das Time Magazine wählte ihn zu einer der einflussreichsten Personen unserer Zeit. Kleider für G-Star, Pfannen für Tefal, Sonnenbrillen für Lanvin, extracoole Slipper für Nike, ein Champangerkoffer für Dom Perignon, das Geschirr für die Airbus A380 von Quantas. Die Aufzählung umfasst nur einen winzigen Teil seines Schaffens (verschaffen SIe sich selber einen Überblick auf www.marcnewson.com). Natürlich durften da auch die Uhren nicht fehlen – jeder gute Designer hat irgendwann das Bedürfnis, sich auch an der Darstellung der Zeit zu versuchen. Ikepod hiess die Marke, die seinerzeit schöne Erfolge verzeichnen konnte. Leider hielten die Managementfähigkeiten bei Ikepod (Oliver Ike hiess der nicht durch Bescheidenheit glänzende deutsche CEO) nicht Schritt mit Newsons überirdischem Design. Die Firma ging, wie man es höflich ausdrückt, „in die Insolvenz“, unter Hinterlassung eines ansehnlichen Scherbenhaufens bei vielen Zulieferern im Jura.

Name, Entwürfe und Ideen wurden dann 2006 von einem New Yorker Kunstsammler namens Adam Lindeman aufgekauft, und bald wurden wieder erste Uhren produziert und neue Modelle vorgestellt. An der Spitze waltet als CEO heute der umtriebige, sympathische Franzose Alexandre David, der seine Sporen während vielen in der Uhrenbranche abverdient hat.  Basis für die Armbanduhren bildete immer noch das wunderschöne runde Gehäuse mit seinen organischen Formen. Dieses wurde jedoch im Gegensatz zu den Vorgängermodellen überarbeitet und verbessert. Megapode, Hemipode und Horizon heissen die Modelle, die jetzt wieder erhältlich sind. Als wirklich neues Modell wurde 2008 die Solaris vorgestellt, eine für heutige Verhältnisse eher kleine Uhr mit zwei Quarzwerken in einem Keramikgehäuse, die man beidseitig tragen kann.

Radikal neue Uhren präentierte Newson 2010. Für Jaeger-LeCoultre intrepretierte er die legendäre Atmos neu, als Atmos 566 (siehe folgendes Bild). Auch dieser Entwurf wurde sofort zur Ikone.

Atmos interpretiert von Marc Newson

Der wahre Paukenschlag hingegen war das „Hourglass“. Jawohl, man kann die Sanduhr neu erfinden. Bereits der Begriff Sanduhr ist hier aber eigentlich falsch. Im Innern der mit enormem Aufwand aus einem Stück gemachten Stundengläser rieseln nämlich „Nanoballs“. Das sind kleinste Stahlkügelchen, die mit verschiedenen Metallen beschichtet werden. Das Kunstobjekt mit hohem Potential als Sammlerstück gibt es in zwei Grössen, einmal mit 60 Minuten und einmal mit 10 Minuten „Gangreserve“. Die grosse Version mit den vergoldeten Nanoballs ist exklusiv reserviert für „The Hourglass“, den wohl berühmtesten und weltbesten Retailer für verrückte Uhren mit Standort in Singapur. Dessen Gründer und Patron Michael Tay wurde mit seinem Konzept in der Branche zur Legende – er gilt als grosser Förderer der alternativen „Haute Horlogerie“. „Ich war absolut begeistert von der Idee und habe sofort für eine limitierte Serie zugesagt. Die übrigens praktisch ausverkauft ist“ verriet uns Tay anlässlich einer Begegnung an der Baselworld. Aber noch nicht komplett ausgeliefert, denn der Aufwand in der Produktion ist enorm.

Die Herstellung des Hourglass erfordert eine gigantische Maschinerie. Glas zu bearbeiten ist generell sehr anspruchsvoll und erfordert neben entsprechenden Installationen auch viel Erfahrung. Nach langem Suchen fand David in Basel einen Betrieb, der in der Lage war, Newsons Pläne umzusetzen. So kompliziert kann das doch nicht sein, ein Stundenglas herzustellen, könnte man meinen. Doch die Annahme ist falsch. Bis zu drei Tage dauert es, bis eines der Kunstwerke fertig ist.

Impressionen aus der Produktion:

Aus einem speziellen Glasrohr-Rohling entstehen sie in vielen Schritten. Die Temperatur im Produktionsgebäuse ist schweisstreibend. Das Rohr wird in eine grosse, schwere Maschine eingespannt, damit man es gleichmässig drehen kann. Mit Flamme und Fingerspitzengefühl wird das Teil langsam in seine Form gebracht. Zur „Abkühlung“ kommt es danach in einen 570 Grad heissen Ofen, damit sich die Form stabilisieren kann. Besonders kritisch ist die Grösse der Öffnung, durch die die Stahlkügelchen am Schluss rieseln sollen, denn sie bestimmt die Genauigkeit, die Gangdauer.

Nach dem ganzen Produktionsprozedere wird Newsons Signatur angebracht. Dann erfolgt die Füllung. Die „Feinregulierung“ erfolgt durch das Zugeben von mehr oder weniger Nanoballs. Am Schluss wird die kleine Einfüllöffnung mit einem Stück Silikon dicht verschlossen.

Der Effekt beim Drehen des „Hourglass“ ist phänomenal und poetisch. Die ersten Stahkügelchen treffen aufs Glas und hüpfen, das Geräusch ist fein und mystisch. Man kann gar nicht anders als zuschauen. Klar: Für die Zeitmessung ist das Hourglass heute nicht notwendig. Wie viele grossartige Entwürfe in der Uhrenbranche.

Die zeitphilosophische Komponente an der Sache macht den unglaublichen Reiz dieses Kunstwerks aus. Zehn Minuten oder (beim grossen Modell) eine Stunde innehalten, durchatmen, nachdenken, einfach dem Rieseln zuschauen. Aber auch für den Businessalltag ist es geeignet: Beispielsweise um im Sitzungszimmer die Beiträge auf zehn Minuten reduzieren. „Sie haben zehn Minuten, um mir Ihr Projekt zu präsentieren.“

Ikepod Marc Newsons Hourglass mit kupferfarbigen Nanoballs

Die Ausführung mit den kupferfarbigen Nanoballs

Ikepod Marc Newsons Hourglass mit vergoldeten Nanoballs

Die Ausführung mit den vergoldeten Stahlkugeln

Die Dimensionen des Newson’schen Objekts:

Kleines Modell: Höhe 150 mm, Durchmesser 125 mm, Gewicht 1,5 kg

Grosses Modell: Höhe 300 mm, Durchmesser 250 mm, Gewicht 9,6 kg

Das Hourglass ist bei Uhrsachen in mehreren Varianten zu besichtigen. Aber Achtung: Das Risiko, sich in das Objekt zu verkucken, ist sehr hoch!

Lassen Sie sich einstweilen von den folgenden Bildern aus der Produktion verzaubern. Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of

Ikepod Marc Newson Hourglass Making of