Die japanische Firma Seiko war mit ihren Quarzuhren mitverantwortlich für die Uhrenkrise in der Schweiz. Darum hört man hierzulande nicht gern, dass Seiko eine echte eine Manufaktur ist. Und mit dem «Spring Drive» hat sie eine echte Innovation im Angebot. Wir haben uns deshalb als erster Händler in der Schweiz entschieden, diese Uhren in unser Sortiment aufzunehmen.
Erinnern Sie sich, wie über die ersten Hybridautos gespottet wurde? Heute fahren einige tausend Toyota Prius auf unseren Strassen herum, und in der Luxusklasse gilt der Lexus mit der Kombination aus Benzin- und Elektroantrieb als der letzte Schick. Ähnlich könnte es einmal mit dem «Spring Drive» von Seiko gehen – zuerst belächelt, dann als Avantgarde verehrt.
Prinzipien von vorvorgestern
Die eigentliche Achillesferse einer mechanischen Uhr ist die Hemmung. Sie sorgt dafür, dass die Zeit in einem geregelten Fluss abläuft. In den traditionellen Uhren funktioniert dies mit filigranen, aufwändig hergestellten Teilen wie Unruh und Anker. Das Prinzip ist mehr als 200 Jahre alt und wird nur noch in kleinen Details weiterentwickelt. Die mechanische Uhr benötigt alle paar Jahre eine Revision, kann dafür theoretisch auf ewig funktionieren und repariert werden. Als in den siebziger Jahren die ersten Quarzuhren auf den Markt kamen, dachte man, jetzt sei die wahre Lösung für den Antrieb der Uhren gefunden.
Seiko Springdrive mit Mondphasenanzeige und 72 Stunden (!) Gangreserve, limitiert auf 200 Exemplare
In der Tat verfügt die Quarzuhr über wesentliche Vorteile. Die Werke sind sehr billig in grossen Serien herzustellen und sie erzielen eine Genauigkeit, mit der sich selbst die teuerste mechanische Uhr nie wird messen können. Doch auch die Quarzuhr hat ihre Haken: Sie benötigt eine Batterie, und die Elektronik ist oft nicht zu reparieren, sondern höchstens auszutauschen. Für das Batterieproblem ersannen die Tüftler Lösungen: Autoquarz oder Kinetic heissen die einen Ansätze. Dabei wird mit einem Aufzugsrotor Energie generiert, die in einer Art Akku gespeichert wird. Der andere Ansatz ist die Solarenergie: Kleine in die Zifferblätter integrierte Solarzellen versorgen eine Batterie mit Strom.
Einen neuen Weg ersannen vor 30 Jahren die Ingenieure des japanischen Giganten Seiko. Seiko? Die Firma hat in der Schweiz den Ruf, nur «billige Quarzuhren» herzustellen. Dem ist aber nicht so. Die Seiko Gruppe ist zwar ein riesiger japanischer Industriekonzern mit 120000 Mitarbeitern und über 20 Milliarden Franken Umsatz. Seinen Anfang nahm das Unternehmen 1881 als Reparaturatelier für Grossuhren (und ist damit älter als manche angesehene Schweizer Uhrenfirma).
Enorme Zahlen
Die Uhrensparte produziert jährlich gigantische Stückzahlen: 16 Millionen Uhren und 352 Millionen Uhrwerke waren es im Jahr 2005. Mehrheitlich sind dies Quarzuhren, aber auch günstige Automatikuhren verlassen die Produktionsateliers in grosser Zahl. In der «Höhle des Löwen», also im Uhrenmarkt Schweiz, hat Seiko einen schweren Stand. Eine gewisse Bekanntheit erhielt Seiko bei uns in den siebziger Jahren mit den ersten digitalen Uhren mit Chronographen- und Weckerfunktionen oder den Auftritten in den James-Bond-Filmen mit Roger Moore. Kaum bekannt ist hierzulande hingegen, dass Seiko auch äusserst hochwertige Uhren herstellt.
Die «Grand Seiko»-Linie ist quasi der Lexus unter den japanischen Uhren. Die Modelle müssen in Sachen Qualität und Verarbeitung den Vergleich mit Uhren mit klingendsten Namen aus der Schweiz nicht scheuen (wobei man mit dieser Aussage in der hiesigen Uhrenbranche schon fast als Nestbeschmutzer gilt). Sie werden allerdings nur in ausgewählten Seiko-Geschäften in Japan verkauft, sowie an ganz wenigen Standorten in der Welt. Auch die 1960 ins Leben gerufene Grand-Seiko-Abteilung kam übrigens bei der «Quarzkrise» unter die Räder, sowie unzählige Uhrenbetriebe in der Schweiz. Die Produktion der Luxuslinie wurde 1975 eingestellt und erst Ende des 20. Jahrhunderts wieder aufgenommen, als wieder eine genügende Nachfrage nach feinen mechanischen Uhren bestand.
Eine Art Hybridtechnik
Vor bald 30 Jahren begannen Ingenieure bei Seiko also an einem System namens «Spring Drive» zu arbeiten – «Federantrieb» auf Deutsch. Ziel war es, in einer hochwertigen, beständigen Uhr das Beste aus der Mechanik und aus der Elektronik zu verbinden. Um beim Vergleich mit den Autos zu bleiben: Eine Art Hybrid-Technik. 1999 lancierte Seiko die ersten Handaufzugsuhren mit dieser Technik. 2005 stellte Seiko an der Basler Uhren- und Schmuckmesse Baselworld die ersten automatischen Uhren mit «Spring Drive» vor. Zur Funktionsweise: Die Energie wird bei einer Uhr mit «Spring Drive» mit einem Aufzugsrotor generiert. Dieser spannt, wie bei einer herkömmlichen Automatikuhr, eine Feder in ihrem Federhaus. Jede Feder will nur eines: sich entspannen. In einer herkömmlichen mechanischen Uhr hindert die Hemmung mit Unruhe und Anker die Feder daran, sich sofort zu entspannen.
Das Revolutionäre am «Spring Drive» ist nun, dass er diese Federkraft nutzt, um ein Gleitrad anzutreiben. Mit Hilfe eines auf diesem Rad angebrachten Magneten wird Energie generiert. Diese Energie wiederum versorgt einen Quarzkristall und bringt ihn in seine Schwingung von 32768 Hertz. Gleichzeitig wird eine Art Bremse mit der Energie versorgt, die das Gleitrad auf genau acht Umdrehungen pro Sekunde beschränkt. Der «Spring Drive» ist also im Prinzip eine Quarzuhr, die Energie wird aber in einer mechanischen Komponente gespeichert, der Feder. Die Präzision ist denn auch die einer Quarzuhr, maximal 15 Sekunden Abweichung pro Monat werden vom Hersteller angegeben. Laut Aussagen von Besitzern wird dieser Wert in der Praxis stark unterschritten, in Uhrenforen findet man Berichte von weniger als einer Sekunde Abweichung – pro Monat. Ein Nebeneffekt ist das sanfte Gleiten des Sekundenzeigers. Die herkömmliche Quarzuhr verrät sich durch das charakteristische Springen jeder Sekunde, bei der mechanischen sieht man das leicht rucklige Bewegen und hört das «Tick-Tack».
Explosionszeichnung des Springdrive-Werks
Die «leise Revolution» nennen die Japaner denn auch ihre Technik. Auch die Gangreserve von 72 Stunden liegt weit über der einer normalen mechanischen Uhr. Ein Standardwerk von ETA, wie es in Millionen von Uhren tickt, läuft maximal 44 Stunden ohne Bewegung der Uhr weiter. Verpackt ist die moderne Technik in diskreten, perfekt verarbeiteten Stahlgehäusen. Das Design der Uhren ist eher «Understatement ». Ein Lexus eben, an Stelle einer der üblichen deutschen Prestigelimousinen. Nicht zuletzt sind die Uhren eigentliche «Manufakturuhren», denn Seiko produziert die Werke von A-Z selber und reiht sich damit in den illustren Klub der Uhrenmanufakturen ein. Das mag man in den noblen Häusern in Genf oder im Jura ungerne hören, aber es ist so.
Zurzeit werden von den Modellen mit «Spring Drive» noch keine grossen Stückzahlen produziert. Schliesslich brauchte auch der anfangs belächelte Lexus viele Jahre Zeit, um ernst genommen zu werden. Auch der Träger einer Seiko Spring Drive muss resistent sein gegen hämische Kommentare: «Was? 5000 Franken für eine Seiko?»