Mechanische Uhren brauchen regelmässig etwas Aufmerksamkeit vom Spezialisten. Patrick Favrod, eidgenössisch diplomierter Uhrmachermeister und Leiter des Uhrmacherateliers von Uhrsachen gibt Ihnen einen Überblick der Arbeiten, die bei einem normalen fachmännischen Unterhaltsservice ausgeführt werden.
Vorab einige Grundinformationen zur Funktionsweise: Die mechanische Uhr mit Zugfeder und Unruh-Spiralsystem wird seit Mitte des 17. Jahrhunderts als Zeitmesser verwendet. Im Prinzip funktioniert die Uhr als „Zähler“ von Schwingungen (oszillierende Bewegungen der Unruh). Um diese Aufgabe zu erfüllen, besteht das Werk einer traditionellen, mechanischen Handaufzugsuhr aus ungefähr 140 Einzelteilen. Bei Uhren mit so genannten Komplikationen, also Zusatzmechanismen wie automatischem Aufzug, Datum, Mondphase, Chronograph ist die Anzahl Teile natürlich noch wesentlich höher.
Das eigentliche Rohwerk umfasst rund 60 Einzelteile und bildet mit den Rädern, Hemmungsteilen, dem Unruh-Spiralsystem und anderen Teilen (Fournituren) das Werk (Kaliber). Die perfekt aufeinander abgestimmten Mechanismen der Uhr erlauben der Aufzugsfeder im Federhaus, ein möglichst konstantes Drehmoment abzugeben; diese Energie wird auf das Räderwerk übertragen und von diesem übersetzt. Die Hemmung, gesteuert durch das Regulierorgan, befreit und stoppt das Räderwerk in sehr präzisen Intervallen. Bei den meisten modernen Uhren schwingt die Unruh mit 28800 A/h, also acht Mal pro Sekunde oder fast 700`000 Mal pro Tag (!). Diese Intervalle bringen die Zeiger dazu, die „richtige Zeit“ auf dem Zifferblatt anzuzeigen.
Die fertige Uhr besteht aus dem Werk und der so genannten „Habillage“, dem zusammenfassenden Begriff für Zifferblatt, Zeiger, Gehäuse, Glas, Krone etc.
Pflege der Uhr
Dieser kurze Einblick in Aufbau und Funktionsweise lässt erahnen, wie komplex und subtil so ein Mechanismus ist. Und dass es keinesfalls selbstverständlich ist, dass eine Uhr über Jahre und Jahrzehnte hinweg ihren treuen Dienst tut. Wie bei jeder mechanischen Maschine – ein Uhrwerk ist nichts anderes – ist auch bei der Uhr die Schmierung der Reibungsstellen (Lagerung der Radzapfen, Hemmung, Hebel etc.) von eminenter Bedeutung. Leider ist es aber so, dass Öle und Fette mit der Zeit altern oder sich verflüchtigen. Die Reibung nimmt zu und mitunter kostspielige Abnützungen und entsprechende Folgeschäden können entstehen. Um es nicht soweit kommen zu lassen, wird empfohlen, dass mechanische Uhren alle drei bis fünf Jahre, in die Hände eines qualifizierten Uhrmachers gelangen sollten. Was jedem Autobesitzer klar ist, stösst bei Uhren oft noch auf Unverständnis. Aber mal ehrlich: kennen Sie jemanden, der seinen Wagen erst zum Service bringt, wenn er nicht mehr fährt?
Was passiert beim Uhrmacher?
Der kundige und motivierte Uhrmacher kontrolliert als erstes die Uhr von aussen akribisch auf allfällige Beschädigungen, prüft die Funktionen, Glas, Gehäuse, Kronenhals und Krone, Zifferblatt, Zeiger und Band. Anschliessend wird das Gehäuse mit dem passenden Werkzeug geöffnet und das Uhrwerk ausgebaut. Besonders Sorgfalt ist nötig beim Abheben der Zeiger. Zeiger und Zifferblatt sind sehr empfindlich auf Kratzer und werden darum gut geschützt, separat in einer kleinen Dose aufbewahrt.
Zeiger abheben: Sorgfalt ist gefragt.
Nun wird das Uhrwerk systematisch demontiert, jedes einzelne Teil wird unter der Lupe auf eventuelle Abnutzungserscheinungen, Korrosion oder andere Beschädigungen überprüft. Bei besonders komplexen Werken dokumentiert man den Aufbau mit Bildern im kleinen Atelierfotostudio. Die defekten Teile werden ausgesondert, um sie anschliessend entweder nachzuarbeiten, zu ersetzen oder, falls nicht mehr lieferbar, komplett neu anzufertigen.
Gründliche Reinigung
Nun müssen sämtliche Teile gründlich von den alten, teils verharzten Schmiermitteln befreit werden. In einem feinen Sieb gibt man sie in ein spezielles Reinigungsgerät, in dem sie in mehreren Durchgängen in verschiedenen Reinigungsflüssigkeiten gebadet und anschliessend getrocknet werden. Erst wenn alle Teile wieder perfekt sauber sind, kann mit dem Zusammenbau begonnen werden.
Die Reinigung erfolgt in einer speziellen Maschine in kleinen Körbchen.
Die Remontage braucht viel Systemeatik und Fachwissen
Für den Laien mag es unvorstellbar sein, dass man aus allen diesen Teilen wieder ein Werk zusammenbauen kann. Systematik heisst das Zauberwort. In einer festgelegten Reihenfolge (Federhaus, Räderwerk, Hemmung, Regulierorgan, Aufzugs- und Zeigerstellmechanismus) wird das Uhrwerk assembliert. Die Reibungsstellen werden präzise geschmiert. Das bedeutet nicht etwa einfach hier und da ein wenig Ölen. In einem einzigen Uhrwerk kommen mindestens vier verschiedene Öle und Fette zum Einsatz, jedes mit anderen, dem Zweck genau entsprechenden Eigenschaften.
Ist das Werk fertig montiert, so kann nun zum ersten Mal nach der Revision die Uhr aufgezogen und danach das Gangverhalten kontrolliert werden. Für die Kontrolle bzw. Einstellung der Parameter Gangabweichung, Amplitude (Schwingungsweite) und Abfall, wird ein spezielles elektronisches Messgerät benützt, der so genannte „Witschi“ (nach dem Hersteller). Entsprechen die Resultate den Anforderungen und Erwartungen, können nun wieder Zifferblatt und Zeiger montiert werden.
Sorgfalt und Sauberkeit
Wichtig bei allen diesen Vorgängen ist immer grosse Sorgfalt und peinlichste Sauberkeit. Leider treffen wir in der Praxis oft Uhren an, bei denen viele kleine und grosse Kratzer unerbittlich von „schludrigem“ Vorgehen zeugen. Solche Spuren sind, wenn überhaupt, nur mit viel Aufwand wieder zu tilgen. Wir staunen auch immer wieder über Fremdkörper und Schmutzpartikel aller Art – als hätte ein früherer Uhrmacher über der Uhr seinen Mittagsimbiss eingenommen… Staub und Dreck sind aber die grössten Feinde einer präzisen Mechanik. Die Kräfte in der Uhr sind so fein, dass ein kleines Staubkorn genügen kann, um die Gangwerte zu verfälschen oder die Uhr sogar zum Stillstand zu bringen.
Hilfreiche Elektronik: Mit dem „Witschi“ kann der Gang der Uhr präzise überprüft werden. Ein unerlässliches Gerät für eine gute Einregulierung und entsprechende Ganggenauigkeit des mechanischen Uhrwerks.
Polieren und Bürsten
Bevor das frisch überholte Uhrwerk wieder an seinen Bestimmungsort kommt, nämlich in das Gehäuse, sollte dieses nach Möglichkeit originalgetreu aufgearbeitet werden. Je nachdem ob das Gehäuse satinierte oder polierte Flächen aufweist, kommen unterschiedliche Bürsten, Baumwollscheiben und Polierpasten zum Einsatz. Nach dem Auffrischen müssen nun auch Gehäuse und Band gereinigt werden. Dies passiert mit Hilfe eines Ultraschallgeräts in einer der Korrosion entgegenwirkenden Seifenlösung. Nach dem Trocknen wird das kontrollierte und einreglierte Werk wieder in das Gehäuse montiert. Nach einem letzten Kontrollblick schliesst der Uhrmacher den Gehäuseboden wieder. Bei wasserdichten Uhren werden zuvor falls notwendig noch sämtliche Dichtungen (im Boden, Glas, Krone) ersetzt und die effektive Dichtheit mit einem Kontrollgerät überprüft.
Zifferblatt setzen: Eine heikle Angelegenheit
Bevor die Uhr wieder ihrem Besitzer übergeben wird, folgen noch mindestens fünf Tage intensiver Kontrolle. Kontrolliert wird nebst der allgemeinen Funktionalität (Funktion der Krone, Datumswechsel, Aufzugsleistung bei Automatikuhren etc.) vor allem die Ganggenauigkeit. Dazu wird die Uhr mit einer Referenzuhr synchronisiert und in einer bestimmten Position belassen. 24 Stunden später wird die auf der Uhr angezeigte Zeit wieder mit der Referenzuhr verglichen, um so die Grösse der Abweichung festzustellen. Mindestens in drei bis fünf Positionen muss eine seriöse Prüfung vorgenommen werden. Sollten sich erhebliche Abweichungen zeigen, wird die Uhr noch einmal geöffnet und das Hemmungs- /Spiralsystem in der so genannten „Retouche“ noch genau nachregliert.
Eine komplette fachmännische Revision hat grossen Einfluss auf den Werterhalt der Uhr und erhöht die Freude an Ihrem gut funktionierenden Präzisionsinstrument. Warten Sie also nicht zu lange damit. Im Atelier von Uhrsachen widmen wir uns Ihren mechanischen Lieblingen mit Sorgfalt und Sachverstand.