Angeregt durch einen Vorschlag von Sir Sanford Fleming fand im Oktober 1884 in Washington DC eine denkwürdige Konferenz statt, die auf ein Ergebnis hin arbeitete, das uns heute so selbstverständlich scheint, als habe es immer existiert. In der internationalen «Prime Meridian Conference» sollten die souveränen Staaten der Welt darüber bestimmen, wo sich fortan der Nullmeridian befinden sollte. Die viel frühere Festlegung der Breitengrade hatte keine nennenswerten Probleme mit sich gebracht. Die einfachste Lösung war auf der ganzen Welt anerkannt worden, indem man die Erde vom Äquator zu den beiden Polen in je 90 Grad teilte. Diese Einteilung war rein geometrischer Natur. Beim Längengrad wurde es komplizierter, denn hier gesellte sich zur Geometrie ein weiterer Faktor: die Zeit.
Bislang hatte jeder Staat seine mittlere Zeit vom Standort seines Observatoriums abhängig gemacht. Wenn dort Mittag war, zeigten die Uhren im ganzen Land 12 Uhr. Das bedeutete, dass die dortige Lokalzeit die Uhren im übrigen Land bestimmte. Die Erfindung des Telegraphen hatte die landesweite Synchronisierung möglich gemacht. Dieses System mochte innerhalb eines Staates gut funktionieren, doch über grössere Distanzen sorgte es für ein heilloses Durcheinander. In den Vereinigten Staaten, wo immer schnellere Eisenbahnlinien die Ost- mit der Westküste verbanden, sorgten die unterschiedlichen Lokalzeiten der Bahnhöfe längs der meist eingleisigen Strecken regelmässig für brenzlige Situationen und zuweilen für grosse Unglücke. Auf See segelten zwar die meisten Schiffe nach englischen Karten, auf denen der Nullmeridian durch Greenwich verlief, doch international anerkannt war er deshalb noch lange nicht.
An der Konferenz kristallisierte sich rasch heraus, dass ein Nullmeridian durch Greenwich auch für den Rest der Welt eine gute Lösung darstellte, weil damit auch das Problem der Datumsgrenze elegant gelöst werden konnte. Sie fiel auf den Meridian, der mitten im Pazifik, genau gegenüber von Greenwich, durch unbewohntes Gebiet schnitt. Dadurch ergab sich nicht die peinliche Lösung, dass zwei Länder aneinander grenzen mussten, bei denen im einen bereits Montag war, während das andere noch Sonntag hatte.
Obefläche einer Globussonnenuhr (Helios Mondo) mit dem durch Greenwich verlaufenden Nullmeridian.
An den Verhandlungen, die drei Wochen dauerten, wurde auch beschlossen, dass die Erde in 24 Zeitzonen zu 15 Grad eingeteilt werde, deren Grenzen sich an die Landesgrenzen anschmiegen sollten. Jede Zeitzone wich von den beiden benachbarten um eine Stunde ab. Für den internationalen Verkehr wurde eine Universalzeit mit Ursprung in Greenwich eingeführt. Sie heisst Universal Time Coordinated (UTC) und unterscheidet sich von Greenwich Mean Time (GMT) dadurch, dass sie keine Sommerzeit kennt und somit jegliche Missverständnisse ausschliesst, die beim Flugverkehr fatale Folgen haben können. Frankreich hatte lange Zeit Mühe mit der Schmach, dass nicht Paris als Nullmeridian ausgewählt worden war, das sich ja lediglich 2,5° östlich von London befindet. Auf französischen Karten figurierte der Ort neben London nicht als Referenzpunkt. Paris galt weiterhin als Zentrum der Welt, allerdings mit einer Zeitverschiebung von 9 Minuten und 21 Sekunden. So musste man das englische Wort nie in den Mund nehmen.
Mit der Uhr durch die Zeitzonen
Die Uhrenindustrie hat sich schon früh, sogar vor der «Prime Meridian Conference», mit dem Problem unterschiedlicher Zeitzonen befasst. Im Musée International d’Horlogerie sind etliche Taschenuhren zu bewundern, die auf diversen Zifferblättern unterschiedliche Ortszeiten anzeigen können. Mit der allmählichen Akzeptanz der um jeweils eine Stunde versetzten Zonen, wurden die Systeme raffinierter und gleichzeitig einfacher in der Handhabung.
Politische Grenzen der Zeitzonen: Die Zeitzonenstreifen sind den Landesgrenzen angepasst.
Das am weitesten verbreitete System ist die sogenannte «GMT-Anzeige». Eine solche wurde in den fünfziger-Jahren erstmals von Rolex für die Piloten der Fluggesellschaft Pan Am entwickelt. Sie sollte auf einen Blick und zuverlässig die für alle Piloten der Welt gebräuchliche UTC im 24-Stunden-Format anzeigen. Gleichzeitig sollten die Flugkapitäne sie aber schnell auf die Lokalzeit des Zielflughafens einstellen können, um sich dort besser zurechtzufinden. Dabei durfte der Gang der Uhr natürlich nicht beeinträchtigt werden. Es erstaunt kaum, dass die Glycine Airman als reine Pilotenuhr sich dieser Anzeige bedient.
J.L. und A. Béguelin, Tramelan, Taschenuhr mit Universalzeit (Sphärometer),
Durchmesser: 62mm, um ca. 1885
Taschenuhr mit sieben unabhängigen Zeitzonen.
Die Genfer Manufaktur Patek Philippe gehörte zu den Pionieren, die 1937 bereits eine Armbanduhr entwickelten, welche dem Benutzer auf einen Blick die Uhrzeit in 24 Weltstädten verriet. Das System war vom Uhrmacher Louis Cottier entwickelt worden. Das in Cloisonné-Email ausgeführte Zifferblatt zeigte im Zentrum eine Weltkarte, um die sich ein 24-Stunden-Ring im Gegenuhrzeigersinn drehte. Um den Ring herum befand sich ein weiterer, feststehender Ring, der mit den Namen von 24 Weltstädten beschriftet war. Die Uhrzeit in jeder dieser Städte liess sich jeweils an der Ziffer ablesen, die ihr am nächsten stand. Die von den beiden Zeigern angezeigte Uhrzeit bezog sich stets auf die Ortschaft bei 12 Uhr. Durch manuelles Drehen des äusseren Rings wurde die jeweilige «Home Time» vorgewählt. Dieses System hat sich so bewährt, dass es von anderen Marken, wie beispielsweise Tissot in abgewandelter Form übernommen und weiterentwickelt wurde. Das Zifferblatt des Modells «Navigator» wird von einer schrittweise drehbaren Scheibe beherrscht, mit Hilfe derer die Lokalzeiten von 24 unterschiedlichen Städten angewählt werden können. Das Prinzip eignet sich ausserordentlich gut für Menschen, die von ihrem Büro aus telefonische Kontakte zum Rest der Welt pflegen, denn auf seinem Zifferblatt lässt sich mit einem Blick erfassen, wie spät es beim Gesprächspartner gerade ist. Die Farbgebung des Stundenrings verrät in den meisten Fällen, ob dort Tag oder Nacht herrscht. Auch die Breitling Transocean Unitime, die Nomos Zürich Weltzeit und die Jaquet Droz Les Douze Villes sind Uhren, bei denen die Zonenzeiten durch Auswählen einer Weltzeit abgelesen werden können.
Für Leute, die sich selbst oft auf Reisen befinden, gibt es wiederum andere Lösungen. Für sie brachte die Marke Ulysse Nardin im Jahr 1994 eine von Ludwig Oechslin erdachte Uhr heraus, deren Stundenzeiger über zwei Drücker in Stundenschritten vor oder zurückgestellt werden konnte, die GMT±. Bei Flügen ostwärts muss dabei einfach die mit «+» markierte Taste für jede überflogene Zeitzone einmal gedrückt werden. Die Uhr ist damit sogar bedienbar, ohne hinschauen zu müssen. Um die Uhrzeit daheim stets im Blick zu haben, wurde zusätzlich zum Datum ein Fenster eingebaut, das diese im 24-Stunden-Format digital angibt. Ulysse Nardin verwendet das System beinahe unverändert in allen Reiseuhren.
Es gibt auf der Welt einige wenige Länder, deren Lokalzeit, meist aus politischen Gründen, nicht in eine der 24 Zeitzonen passt. So weichen beispielsweise die Lokalzeiten von Indien, Myanmar, Iran, Afghanistan und neuerdings Venezuela um eine halbe Stunde von benachbarten Ländern ab. Nepal und die Chatham Inseln östlich von Neuseeland sind sogar um drei Viertelstunden von der nächstgelegenen Zeitzone verschoben. Für diese äusserst raren Ausnahmen gibt es Uhren, deren Zeiger sich auf einem zweiten Zifferblatt völlig unabhängig und stufenlos verstellen lassen, wie es im Übrigen bei den meisten historischen Zeitzonenuhren möglich war.
Zeitzonenkarte
Ein kaum beachtetes Problem
Seit in den meisten Ländern der Erde die Sommerzeit eingeführt worden ist, hat sich zur Problematik der Zeitzonen eine weitere hinzugesellt: die Länder der südlichen Hemisphäre haben nicht im selben Zeitraum Sommerzeit wie diejenigen der nördlichen. So beträgt beispielsweise der Zeitunterschied zwischen Paris und Rio im Sommer 5 Stunden, im Winter jedoch lediglich 3 Stunden. Auf den Zifferblättern der meisten Uhren mit Universalzeit bleibt dieser Umstand unberücksichtigt, als lebten wir noch immer in der Epoche vor Einführung der Sommerzeit. Damals betrug der Unterschied konstant
4 Stunden. Nur wenige Uhren wie etwa die «Timezoner» von Vogard tragen diesem Umstand Rechnung. Die auf der Drehlunette gravierten Orte, welche Sommerzeit haben, werden ganz einfach mit einem S gekennzeichnet. Lesen Sie zu dieser patentierten Entwicklung den Bericht ab S. 20 in diesem Magazin. Sie ist auch in der Bedienung beispielhaft und eignet sich sowohl für Vielreisende als auch für Daheimgebliebene. Um mit ihr eine andere Zonenzeit abzulesen, muss man lediglich einen Hebel umlegen und die gewünschte Zeitzone auf der Drehlunette anwählen. Der Stundenzeiger bewegt.
Text: Timm Delfs
Blau: Sommerzeit benutzt, orange: Sommerzeit wieder abgeschafft, rot: Sommerzeit
nie eingeführt